Aktuarhaus

Das heute nur noch ruinöse sog. „Aktuarhaus“ (Am Schloss 11), welches sich giebelseitig direkt an den Gefängnishof des ehem. Kreisgerichts und damit den barocken Schlosskomplex anlehnt, gehört in seiner Grundstruktur (Grundmauern, Fachwerkaufbauten usw.) zum Bestand der vormaligen Schloss- und Wirtschaftsgebäude der Nebenresidenz bzw. dem Prinzensitz der Sekundogenitur/dem Herzogtum Sachsen-Merseburg.
Vermutlich zeitgleich mit dem barocken Schlosskomplex ab 1694 ff. errichtet, diente das im engeren Sinn als „Schlossvorwerk“ zu bezeichnende, nördlich befindliche Areal hauptsächlich Versorgungs- und Abstellmöglichkeiten. Das Aktuarhaus war der Wohnsitz des (Hof-)Verwalters, der Pagen und Torwärter und zugleich Zentrum des Vorwerks, das mit Ställen, einem Brauhaus, einer Branntweinbrennerei, Hundezwingern, einer Reithalle mit Kornboden, einer Wagenremise usw. sämtliche Funktionen zur Versorgung der Schlossbewohner aufnahm.
Nach dem Ende der Residenzzeit ab 1747 sind keine genauen Besitz- oder Eigentumsverhältnisse für den Bereich des Versorgungshofes bekannt; 1791 wurde das ehemalige Amtsgehöft/Vorwerk Privatbesitz, 1816 verkaufte der preußische Staat die Grundstücke südlich des Schlosses als „Amtsgarten“ bzw. „Unterer Schloßhof“ mit dem Aktuars- bzw. Schösserhaus und der vormaligen Reithalle mit Kornböden. 1845 wurden auf der Südseite des Burghügels die letzten Gräben verfüllt, Unebenheiten im Gelände ebenso wie die (Holz-)Brücke zum vormaligen Amtshaus beseitigt und der Rest des „Alten Schlosses“ abgetragen. Der in Betracht gezogene Abriss des Schlossturms scheiterte an den horrenden Kosten. In der vormaligen Reithalle entstand später (Abbruch 1845?) durch Umbauten das Garten- und Ausflugslokal „Schlossgarten“ (Am Schloss 12). Nach dem Ende der gastronomischen Nutzung (um 1949) wurde das Gebäude von der VEAB als Aufkaufstätte für Obst und Gemüse genutzt (vorwiegend der Saal), Teile dienten der Schule als zusätzliche Unterrichtsräume. 1991 befand sich der Jugendklub dort. Auf einem Teil des Grundstücks in Richtung Birkenallee entstanden in den 1970er Jahren private Garagenbauten. Diese und die Reste der ehemaligen Gaststätte mussten dem Neubau der Sporthalle weichen. Heute befindet sich die moderne Sporthalle am Standort der ehemaligen Reithalle.
Das Gebäude des Aktuarhauses war im Lauf seiner über dreihundertjährigen Geschichte vor allem im 19. Jahrhundert wiederholt gravierenden Umbauten unterworfen, welche man an u.a. an den Fenster- und Türengestaltungen erkennen kann. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts befand sich dieses Gebäude mit der Hausnummer 478 (Am Schloss 11) im Privatbesitz. Aus den Akten ist ersichtlich, dass es 1878 einem Maschinenmeister Conrad Zwanzig gehörte. Er beantragte in jenem Jahr den Bau eines Stalles (gegenüber dem Wohnhaus und parallel zu diesem liegend, um 2000 abgerissen) und kurz darauf die Einrichtung einer Schmiedewerkstatt in einem Teil des Wohnhauses. Im März 1880 wird von Zwanzig der Anbau eines Seitengebäudes beantragt.
Am Südgiebel des Hauses vorbei verlief vom Grundstück Ägypten 1 kommend der Gehweg zum Restaurant „Schlossgarten“. In den vorliegenden Zeichnungen wird der jetzige Gefangenenhof als Garten ausgewiesen. 1905 gehört das Grundstück 478 dem Gärtnereibesitzer Gustav Engelmann. Danach trat ein Besitzerwechsel ein, denn aus den Akten geht hervor, dass am 24. Juni 1927 Gärtner Waldemar Kuhn und Ehefrau Luise von Gärtnereibesitzer Wilhelm Bick das Grundstück Am Schloss 11 in Zörbig, Gemarkung Zörbig, Kartenblatt 11, Bl. 509, Parzellen 525/26 usw., 524/26 usw. 522/26 usw. zur Größe von 92,31 ar, für 34.500 GM (Goldmark) kauften. Er beinhaltete auch das Wegerecht. Der Weg zur Gärtnerei, zur Gaststätte „Schlossgarten“ und zum Amtsgericht führte über das Grundstück Rast, Ägypten 1. Rast hatte das Grundstück von Ökonomierat Finger (ohne Jahresangabe) gekauft. Das Grundstück Rast hatte ein Tor an der Stadtseite nach Egypten zu, ein weiteres Tor stand zwischen den Grundstücken Am Schloss 11 und Ägypten 1. Vom 24. Februar 1860 datiert ein Vertrag über das Wegerecht zwischen dem Magistratsassessor Albert Finger und dem Besitzer der Gaststätte „Schlossgarten“, Albert Heinrich. Dieser befindet sich in beglaubigter Abschrift Blatt 88 ff. der Grundakten Zörbig, Bl. 19, auf den Namen des Ökonomen Albert Finger. Nach 1990 verfiel das Aktuarshaus immer weiter – bereits zu DDR-Zeiten wurden nur notdürftige Reparaturen vorgenommen. Bereits 1998 befasste sich die Stadtverwaltung Zörbigs mit dem Plan einer Umgestaltung der ehem. „Schloßgärtnerei“. In den folgenden Jahren verfiel das Gebäude samt Stall und Schuppen immer weiter, sodass Notsicherungen bzw. Beräumungen stattfinden mussten. Durch ein blau-gelbes Netz verdeckt, welches 2011 zur 1.050-Jahrfeier Zörbigs über die Ruine gespannt wurde, hält vermutlich nur noch dieses die Reste des „Kuhn´schen Hauses“ zusammen und bewahrt sie vor dem Einsturz. Seit mehreren Jahren bemüht sich der Kulturverein Zörbig e.V. um eine Revitalisierung des Gebäudes und möchte dieses mitsamt dem Burghügel einer touristischen bzw. gastronomischen Nutzung zuführen.

Brigitta Weber/Stefan Auert-Watzik