Dr. Otto Rapmund
Sollte sich einmal ein Leser nach Bad Lippspringe, unweit von Paderborn, verirren, so kann es ihm passieren, dass er bei einem Spaziergang im malerischen Park des Auguste-Viktoria-Stiftes auf ein einzelnes Grab mit einem Denkmal stößt. Wenn ein Grab außerhalb eines Friedhofs liegt und es sich nicht um ein Kriegsgrab handelt, muss es sich bei dem dort ruhenden schon um eine bedeutende Persönlichkeit handeln. Zumal das deutsche Bestattungsrecht solche Ausnahmen nur in ganz seltenen Fällen zulässt.
Die Inschrift auf dem Stein gibt den Geh. Med. Rat Prof. Dr. Otto Rapmund, als den mit diesem Denkmal geehrten preis. Doch wer war Otto Rapmund, was hat er vollbracht und vor allem warum soll hier in der Region Zörbig auf ihn aufmerksam gemacht werden?
Otto Rapmund wurde am 16. April 1845 in Zörbig als Sohn des Kantors und Lehrers an der Knabenschule, dem späteren Oberprediger Friedrich Heinrich Ferdinand Rapmund und dessen Frau Carolin Emilie, geb. Greis, geboren. Vater Rapmund ist den Zörbigern schon eher bekannt, denn er gab 1849 die "Chronik der Stadt Zörbig" als eine modifizierte Fassung der "Ausführliche Nachricht von der Stadt Zörbig" von M. Friedrich Gottfried Elteste des Jahres 1732 heraus.
Doch zurück zu Otto Rapmund. Von 1857 bis 1864 besuchte er die lateinische Hauptschule der Franckeschen Stiftungen und war auch Zögling des dortigen Internats.
Zwischen 1864 und 1869 studierte er in Halle (Saale) Medizin. Während des Studiums schloss er sich der Studentenverbindung Corps Teutonia an.
Unter dem positiven Einfluss von Theodor Weber, der selbst ein tüchtiger Fachmann war, wurde er zum praktischen Arzt herangebildet. Der Einfluss Webers befähigte den jungen Rapmund wissenschaftliche Errungenschaften praktisch zu verwerten.
Am 13. Juni 1868 promovierte Rapmund zum Doktor und am 24. Februar 1869 erhielt er nach bestandenem medizinischem Staatsexamen die ärztliche Approbation. Seine Promotion und Dissertation waren die ersten, die in Halle deutsch gehalten und verfasst wurden. Er hatte in beiden Gelegenheit, sich als schlagfertiger Diskussionsredner bei der Verteidigung seiner Thesen, die eine handelte über Verletzungen bei Schlägermensuren, und als geschickter Schriftsteller zu zeigen. Beides Eigenschaften, die ihm in seinem späteren Leben in hohem Maße zugute gekommen sind.
Seiner Militärdienstpflicht kam er 1869 als einjähriger Arzt beim Garde-Feldartillerie-Regiment nach. Im Anschluss verlängerte er noch um ein weiteres Jahr und kam 1870 als Assistenzarzt nach Erfurt. Während des Feldzuges 1870/71 war er beim 12. Feldlazarett des IV. Armeekorps tätig. Nach Kriegsende kam er, immer noch im Militärdienst, nach Neu-Breisach und nahm im Oktober 1871 seinen Abschied. Im gleichen Jahr ließ er sich in Rahden, Kreis Lübbecke in Westfalen, als praktischer Arzt nieder. Dort wurde ihm zunächst kommissarisch die Verwaltung der Kreiswundarztstelle übertragen, die er nach bestandenem Physikatsexamen am 8. Mai 1875, am 4. Juni dauernd erhielt. Der 7. Juli 1875 war für Rapmund ein besonderer Tag, denn da leistete er den Eid als Staatsbeamter.
Am 26. Juni 1876 wurde er als Kreisphysikus (Kreis- oder Amtsarzt) nach Nienburg a. d. Weser versetzt, wo er 10 Jahre zugleich als Leiter des Bollmannschen Krankenhauses tätig war. Durch sein Organisationsgeschick, das er schon in Rahden gezeigt hatte, wurden die Behörden auf ihn aufmerksam. Grund dessen wurde Rapmund am 18. März 1886 zum Regierungs- und Medizinalrat in Aurich ernannt, wo er 4 Jahre wirkte, bis am 21. März 1890 seine Versetzung nach Minden erfolgte. Am 4. April 1898 wurde Rapmund zum Geheimen Medizinalrat ernannt und 1908, bei Gelegenheit des 25 jährigen Jubiläums des Preußischen Medizinalbeamtenvereins, erhielt er in Rücksicht auf seine anerkennenswerten wissenschaftlichen Leistungen das Prädikat Professor. Am 31. Dezember 1913 wurde ihm die nachgesuchte Entlassung aus dem Staatsdienst bewilligt.
Die fast ein Menschenalter dauernde Tätigkeit in Minden, einem verhältnismäßig kleinen, aber vielseitigen Amtsbezirk, gab ihm Gelegenheit, seine Gedanken in der Praxis zu erproben und das Erprobte seinen Standesgenossen in eindrucksvollen und leichtverständlichen Abhandlungen als Hilfsmittel ihrer Tätigkeit darzubieten. Es gibt kaum ein Gebiet der Medizinalverwaltung, auf dem er hier nicht bahnbrechend und zu einem großen Teil schon die späteren gesetzlichen Bestimmungen vorwegnehmend tätig gewesen wäre. 1892 kam von ihm eine Anweisung gegen die Verbreitung ansteckender Krankheiten heraus. Sie forderte die Anzeigepflicht, Listenführung, Desinfektion und manches andere. Erst am 25.08.1905 setzte der Staat seine Ideen per Gesetz um.
Schon damals widmete er seine Fürsorge der Schulgesundheitspflege, damit die Behauptung so mancher moderner Sozialhygieniker widerlegte werden konnte, dass die Gesundheitsfürsorge bei den staatlichen Medizinalbeamten keine Beachtung findet. Überhaupt ist Rapmund einer derjenigen, der zu allererst die Kreisärzte auf die Wichtigkeit gesundheitsfürsorgerischer Betätigung aufmerksam gemacht und der bei den meisten von ihnen auch in dieser Hinsicht verständnisvolle Jünger und Nacheiferer gefunden hat. Neben den Aspekten der Volksgesundheit war er stets darauf bedacht, die Stellung und damit auch die wirtschaftliche Lage der Medizinalbeamten zu fördern.
Otto Rapmund erkannte während seiner Tätigkeit die Notwendigkeit, gegen die Volksseuche der Tuberkulose mit speziellen Heilstätten einzuschreiten. Dazu gründete er im Jahr 1899 den "Heilstättenverein des Regierungsbezirks Minden". Dieser hatte sich als Hauptziel die Errichtung einer großen Lungenheilstätte in Bad Lippspringe gesetzt. Dr. Rapmund gelang es die damalige deutsche Kaiserin Auguste Viktoria als Schirmherrin zu gewinnen. Mit ihrer Zustimmung hatte er die Möglichkeit zahlreiche Persönlichkeiten um Spenden zu ersuchen. Auch eine Lotterie wurde ins Leben gerufen. So konnte der Verein schließlich im Jahre 1901 eine Lungenheilstätte für 120 Personen errichten, die als "Auguste-Viktoria-Stift" nach der Schirmherrin des Vereins benannt wurde. Dr. Rapmund führte neben seiner Tätigkeit in Minden die Geschäfte des Heilstättenvereins. In der Regel kam er einmal monatlich auch nach Lippspringe, um nach dem Rechten zu sehen. Nachdem er im Jahre 1913 aus dem Staatsdienst ausgeschieden war, widmete er sich ganz der Aufgabe in Bad Lippspringe. 1920 siedelte er auch mit seiner Frau für immer dort hin, nachdem er zwischenzeitlich während des 1. Weltkrieges etliche eingezogene Ärzte vertreten hatte. Schon 1918 hatte Prof. Rapmund den Wunsch geäußert, mit seiner Frau im Park der Heilstätte angesichts seines Lebenswerkes begraben zu werden.
Dieser Wunsch wurde ihm durch die Genehmigung des Regierungspräsidenten in Minden erfüllt. Als Prof. Rapmund dann am 21. März 1930 fast 85jährig starb, wurde er an dem gewünschten Platz zu Grabe gelegt. Allerdings ging sein Wunsch, seine Gattin möge hier neben ihm ruhen, nicht in Erfüllung. Als sie im Jahre 1933 starb, setzten ihre Verwandten die Bestattung an ihrem Heimatort in Nienburg durch. Der Bibelverweis 90.10 auf seinem Grabstein "Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, sind es achtzig. Das Beste daran ist nur Mühsal und Beschwer, rasch geht es vorbei, wir fliegen dahin. (Die Psalmen, Kapitel 90, Vers 10)" ist für ihn in Erfüllung gegangen.
Das einsame Grab mit seinem Gedenkstein ist offenbar nicht ganz vergessen. Stets ist es mit Blumen geschmückt. Zwischenzeitlich bestand allerdings die Gefahr, dem Grab könnte bald Ungemach drohen. Das Grundstück auf dem sich das Grab befindet wurde vor 1998 an einen Paderborner Investor verkauft, der hier große Wohneinheiten errichten wollte. Doch wie von der Stadtverwaltung und dem kompetenten Heimatforscher Walter Göbel zu erfahren war, ist die Ruhestätte des gebürtigen Zörbigers und verdienten Gründers des Auguste-Viktoria-Stifts bisher unangetastet.